Die Romane von Jack Ketchum zählen zum Besten, was das Horrorgenre hervorgebracht hat.
Kaum einem Autor gelingt es, den Schrecken so nah an uns heranzuholen. Vor allem „Evil“ (orig. „The Girl Next Door“) hat sich ins kollektive Bewusstsein gebrannt.
In einem Vortrag für angehende Horrorautoren verrät Ketchum seine Technik.
Kreatives Schreiben am Abgrund
Wir fürchten uns vor dem, was da draußen im Dunkel lauert. Dabei ist der wahre Abgrund unser eigenes Herz. Das Monster sind wir selbst, sagt Ketchum.
Wie gut kennst Du Dich? Wozu wärst Du in Ausnahmesituationen fähig? Welche dunklen Fantasien bringen Dein Blut in Wallung? Dein Job als Autor von Horrorgeschichten ist es, genau das zu ergründen. Schau Deinen Ängsten, Deiner Wut, Deinen Verletzungen ins Gesicht und bringe sie – in abgewandelter Form – aufs Papier.
Wann fühlt der Leser mit der Hauptfigur?
Wenn Erdnüsse oder Katzenhaare bei Dir einen allergischen Schock auslösen, dann wirst Du Dich vermutlich vor Erdnüssen oder Katzen fürchten. Wenn Du ein Kind hast, werden Dich Geschichten über misshandelte Kinder rasend machen.
Jack Ketchum sagt: Angst ist nicht objektiv, sie steckt nicht im Schrecklichen selbst. Sondern in unserem persönlichen Erleben. Und wie wir es erleben hängt davon ab, wo wir verwundbar sind und was uns wichtig ist.
Für Autoren heißt das: Die Reaktion einer Figur auf das Schreckliche ist wichtiger als das Schreckliche selbst. Nur durch einen subjektiven Filter erlebt der Leser die Gefühle tatsächlich mit und sorgt sich um die Charaktere. Aber wie erzeugt man dieses Mitgefühl mit der Figur?
Method Acting für Autoren
Ketchum gibt keine handwerklichen Schreibtipps. Sein Ansatz geht tiefer: „Grabe in Dir. Du findest Deine Figuren nur in Dir selbst.“ Denn es ist unmöglich, das Innenleben von Figuren nach dem Vorbild anderer Menschen zu gestalten. Jeder besitzt verborgene Seelenwinkel, die Dir unzugänglich sind.
Um wirklich ursprüngliche Emotionen zu finden, musst Du „tief in die Nacht Deiner Seele blicken“, so Ketchum. Wie das geht? Durch eine Art mentales „Method Acting“.
Verwandle Dich in die Person, die Du erfindest. Du schreibst beispielsweise über eine Frau, die von der Liebe ihres Lebens verlassen wurde.
Hat nichts mit Dir zu tun – weil Du nicht an die große Liebe glaubst und vielleicht noch dazu ein Mann bist? Aber sicherlich kennst Du das Gefühl, verlassen worden zu sein.
Möglicherweise ist Dein Hund gestorben, als Du noch ein Kind warst. Oder Deine beste Freundin ist in eine andere Stadt gezogen. Oder Deine Eltern haben sich scheiden lassen. Was hat Dein Vertrauen in die Welt zerstört?
Durchlebe diese Situation noch einmal, nimm das Gefühl mit und übertrage es auf Deine Figur.
Autoren sind krank und das ist auch gut so
Vielleicht muss man einen Knacks haben, um Horror zu mögen oder selbst zu schreiben, sagt Ketchum. Na und? Jeder Mensch hat einen an der Waffel. Der Unterschied ist: Als Schriftsteller profitierst Du davon.
Fang Deine dunkelsten Schatten und wirf sie ins Licht – will heißen, in Dein Schreibprogramm. Vielleicht wächst daraus eine Geschichte.
Eine Geschichte, die mit Blut geschrieben ist.
Tipps von Jack Ketchum für Deine Story
- Wovor hast Du am meisten Angst?
- Wofür schämst du dich?
- Welche Fantasien hast Du – würdest sie aber niemals ausleben?
- Was wäre das Schlimmste, das Dir zustoßen könnte?
- Oder Deinen Liebsten?
- Was würde Dir das Herz brechen?
Der Vortrag von Jack Ketchum ist als Podcast verfügbar (engl.): www.mixcloud.com/odysseysffwritingworkshoppodca/jack-ketchum-on-writing-from-the-wound/
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3 Gedanken zu „Jack Ketchum: Schreibe mit Blut!“