Warum erfinden wir Monster? Welche Funktion haben sie für unsere Psyche, unsere Emotionen, unser Zusammenleben? Was verraten sie über unsere Ängste? Diesen Fragen geht Hubert Filser in dem spannenden Sachbuch Menschen brauchen Monster (Piper Verlag 2017) nach. Eine Rezension in sieben Ideen.
1. Monster gibt es schon immer
Ein Blick in die Geschichte zeigt: Menschen brauchen Monster. Schauergestalten begleiten die kulturelle Entwicklung seit jeher. In der Höhle von Chauvet (40.000 Jahre v.u.Z.) zeichneten unsere Urahnen ein Hybridwesen aus Frau und Stier an eine Felswand. Dieser Kunstsinn zeigt: Der Mensch kann Wesen imaginieren, die nicht physisch existieren. Er ist der Natur entwachsen.
2. Monster sind kein Zufall
Frankenstein, Dracula & Co. sind mehr als Hirngespinste. Die Menschen erfanden sie zu ganz bestimmten Zwecken. Monster erzählen uns etwas über uns selbst – darüber, wer wir sind, wo Gefahren lauern, wie wir ein gutes Leben führen.
3. Monster sind Grenzwächter
Monster hausen in den Randregionen der bekannten Welt, wo es potenziell gefährlich wird. Die Europäer in Antike und Mittelalter vermuteten die Schauergestalten in fernen Gegenden, häufig Afrika. Seit Beginn der Raumfahrt im 20. Jahrhundert existieren Weltall-Bestien wie Alien.
4. Monster sind Identitätsstifter
Auch in uns selbst markieren Monster eine Schwelle: zwischen „erlaubten“ und tabuisierten Leidenschaften, Neigungen, Fantasien. Schon die Griechen verbannten das Triebhafte und Böse in „wilde Außenräume“, wo die Monster frei von zivilisatorischem Druck wüteten. Dadurch versicherten sie sich ihrer eigenen Vernunft und Normalität. Wir machen es heute genauso.
5. Monster sind Seelenheiler
Wir verarbeiten Ängste und traumatische Erlebnisse in Traum und Kunst. Das Monster personifiziert Urängste, macht die diffusen Schrecken greifbar. Aus dem realen Schock wird Fiktion. Wir können unsere Angst aus sicherer Distanz durchleben und gewinnen so die Kontrolle zurück. Auch aus therapeutischen Gründen können wir feststellen: Menschen brauchen Monster.
6. Monster gibt es in vier Kategorien
- Monster aus der Natur stehen für die rohen Kräfte der Umwelt. Beispiele: Loch Ness, Godzilla, King Kong.
- Erschaffene Monster haben wir in dem Glauben kreiert, wir könnten sie kontrollieren. Ein Trugschluss … Beispiele: Frankenstein, Terminator, Cyborgs.
- Innere Monster stehen für unsere psychischen Abgründe. Paradebeispiel: Dr. Jekyll und Mr Hyde.
- Monster aus der Vergangenheit suchen uns als Untote heim. Beispiele: Vampire, Zombies.
7. Monster lieben das Verborgene
Psychologen haben herausgefunden: Wir fürchten uns am meisten, wenn wir nicht sicher sind, ob eine Situation gefährlich ist oder nicht. Wenn wir nicht wissen, was unser Gegenüber gleich tun wird, werden wir unruhig.
Ist die Gefahr klar erkennbar, stellen wir uns auf sie ein – wir kämpfen oder fliehen. Darum gehört zu Monstern immer eine gewisse Ambivalenz: Wir können sie nicht sicher einschätzen. Pennywise in „Es“ ist mal ein komischer Clown, mal ein kosmischer Killer.
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