Liste des Bösen: Die elf Archetypen von Antagonisten

Archetypen sind der Schlüssel zu starken Antagonisten. Und je stärker Dein Antagonist, desto stärker Deine Geschichte.

Erfolgreiche Storys kommen selten ohne Archetypen aus, vor allem im Thriller-, Fantasy- und Horrorgenre. Archetypen sind Teil unserer Kultur, unserer Lese- und Sehgewohnheiten.

Archetypen: Albrecht Behmel - Lexikon der Filmschurken

Es gibt viele Listen mit Beschreibungen und Beispielen für archetypische Charaktere, etwa in dem Buch 45 Master Characters, Revised Edition: Mythic Models for Creating Original Characters von Victoria Lynn Schmidt.

Die beste Archetypen-Liste aber ist noch weitgehend unbekannt. Der Maler, Historiker und Schriftsteller Albrecht Behmel hat sie für sein großartiges Lexikon der Filmschurken: Killer, Monster und Gegenspieler im populären Film zwischen 1912 und 2012 entwickelt.

Albrecht Behmels Liste leuchtet sofort ein und lässt die kreativen Synapsen glühen. Außerdem finden sich darin viele Hinweise darauf, wie sich der jeweilige Archetyp in der Story entwickeln kann und welche Konflikte in ihm angelegt sind. Das kann Dir Impulse für die Ausgestaltung des Plots geben.

Definition: Was sind Archetypen?

Zunächst einen Schritt zurück: Was sind Archetypen überhaupt? Archetypen sind Urbilder menschlicher Verhaltensweisen. Carl Gustav Jung, Psychoanalytiker und Schutzheiliger der schreibenden Zunft, zählt sie zum „kollektiven Unterbewussten“. Das ist der Bereich des Unbewussten, der nicht auf individueller Erfahrung beruht, sondern sozusagen angeboren ist. Archetypen gibt es also bereits seit dem ersten Menschen.

Das ist ein cleverer Hack für Autoren: Wenn Du Archetypen in Deine Storys webst, kannst Du darauf zählen, dass Deine Leser emotional auf die Charaktere reagieren – antagonistische Archetypen wecken Urängste. Außerdem verstehen Deine Leser schneller Motivation und Eigenheiten der Figuren, das flacht die Lernkurve zu Beginn der Story ab. Darüber hinaus lassen sich Charakter mit den “Schablonen” einfach runder, glaubwürdiger und aufregender gestalten.

Archetypen richtig verwenden

Zugleich bergen Archetypen eine Gefahr: Ungeschickt gehandhabt, verkümmern sie zu Stereotypen – langweiligen, eindimensionalen, klischeebeladenen Abziehbildern. Stereotype sind verdorrte Archetypen. Frische Charaktere brauchen Individualität.

Archetypen - Liste mit elf Antagonisten und Beispielen

Darum sollte der Archetyp eine Figur nur grundieren, unter ihrer konkreten Erscheinung verborgen bleiben.

Beim Erfinden eines Charakters kann es sinnvoll sein, zuerst einen zur Story passenden Archetyp zu wählen und den Charakter mit seinen individuellen Stärken, Schwächen und Eigenheiten darauf aufzusetzen.

Oder andersherum: Du kannst Archetypen benutzen, um einem noch wenig greifbaren Charakter mehr Tiefe zu verleihen.

Die meisten Antagonisten haben Anteile von zwei oder drei Archetypen. “Reine” Archetypen kommen eher selten vor.

Die elf Archetypen nach Albrecht Behmel

1. Archetyp: Teuflische Beschwörer ?

Der teuflische Beschwörer steht mit der übersinnlichen Welt in Verbindung. Er ist ein Schwarzmagier, Hexer, Portalöffner oder Artefaktjäger, der Kreaturen aus der Unterwelt befreit und auf Wehrlose hetzt.

Sein  Motiv ist häufig die Angst vor dem Tod: Im Übersinnlichen sucht er einen Ausweg aus der Sterblichkeit und verlässt damit die Gemeinschaft der Sterblichen, der Menschen. Dass der Beschwörer den Tod nicht anerkennt, zeigt seine seelische Unreife. Helden hingegen sind bereit zu sterben. Sie sorgen sich darum, ob ihr Tod und damit ihr Leben einen Sinn hatten.

Urangst: Angst vor Dämonen oder bösen Geistern, die durch den Neid oder die Missgunst der Mitmenschen entfesselt werden.

Beispiele: Lord Voldemort (Harry Potter), Deacon Frost (Krabat), Dr. Fu Manchu

2. Archetyp: Brutale Reichsgründer ?

Brutale Reichsgründer sind nicht auf das Übersinnliche angewiesen, sondern leiten ihre Macht aus militärischer, wirtschaftlicher oder psychologischer Stärke ab. Es können Könige und Staatslenker, aber auch mächtige Unternehmer oder Sektenführer sein.

Im Unterschied zu teuflischen Beschwörern können oder wollen sie nie allein handeln, umgeben sie sich mit Dienern oder Sklaven.

Urangst: Angst vor fremden Eroberern.

Beispiele: Xerxes (300), Tyler Durden (Fight Club), Citizen Kane (Citizen Kane)

3. Archetyp: Böse Eindringlinge ?

Böse Eindringlinge bedrohen die Sicherheit des Heims. Sie haben es auf Besitz oder Leben ihrer Opfer abgesehen. Sie respektieren keine Grenzen und bringen damit die Welt aus dem Gleichgewicht.

Oft ist der Held aus Sicht des Antagonisten ein Eindringling, etwa Frodo für Sauron.

Urangst: Nirgendwo Schutz finden können.

Beispiele: Unbekannte Frau (Inside), Peter und Paul (Funny Games), Alex Forrest (Eine verhängnisvolle Affäre)

4. Archetyp: Verrückte Erfinder ?‍?

Verrückte Erfinder bedrohen die gewohnte Welt durch schurkische Innovationen. Dabei schöpfen sie aus ihrer Kreativität und Intelligenz. Häufig geraten ihre Konstruktionen außer Kontrolle, weil sie diese zu früh „auf den Markt bringen“.

Verrückte Erfinder sind ideengeschichtlich jünger als andere Archetypen. In gewisser Weise sind sie Nachfolger der teuflischen Beschwörer, schließlich ist Technologie nur ein moderner Name für Magie. Ihre Motiv aber sind andere: der Drang, den Rätseln des Kosmos auf den Grund zu gehen. Und der Wunsch, Dinge zu optimieren, Fehler auszuschalten.

Urangst: Angst vor unkontrollierbaren, schwer verständlichen Prozessen in Wissenschaft und Technik. Sorge, vom Fortschritt überrollt und sozial abgehängt zu werden.  

Beispiele: Dr. Jekyll (Dr. Jekyll and Mr. Hyde), Victor Frankenstein (Frankenstein)

5. Archetyp: Gnadenlose Verfolger ?

Anders als Böse Eindringlinge lassen gnadenlose Verfolger auch dann nicht von ihren Opfern ab, wenn diese flüchten. Ein Übergriff reicht ihnen nicht – sie legen es auf eine entscheidende Konfrontation an, wollen ihr Opfer töten. Interessant wird es, wenn sie selbst zu Gejagten werden.

Urangst: Von unaufhaltsamen, gefräßige Bestien verfolgt werden.

Beispiele: Ahab (Moby Dick), T-800 (Terminator), Predator (Predator)

6. Archetyp: Unbändige Angehörige ?

Der Unbändige Angehörige ist vor allem in Komödien heimisch, weil in ihm die Möglichkeit zu Vergebung und Versöhnung angelegt ist. Schon ein Blick auf Kain und Abel aber zeigt, dass auch Tragödien diesen Archetyp nutzen.

Oft steht am Ende ein Plot-Twist: der vermeintliche Verräter hatte in Wahrheit einen Rettungsversuch unternommen.

Urangst: Sich nicht auf Angehörige verlassen können, wenn es darauf ankommt. Verlust von Familienbindung, Entfremdung von Kindern und Geschwistern, Dienern oder Angestellten.

Beispiele: Kain (Die Bibel), Samuel (Der Babadook)

7. Archetyp: Grausame Meister ?

Grausame Meister missbrauchen ihre Macht gegen jene, die sie schützen sollen. Als Vaterfiguren haben sie Wissen über ihre Untertanen. Als Befehlshaber und Könige, Lehrer, Ausbilder oder Ärzte handeln sie ohne Sinn für Gerechtigkeit.

Im Meister ist das Scheitern angelegt – der Moment, wenn er über Schüler oder Gefolgsmann die Kontrolle verliert. Oft entbrennt ein Wettstreit zwischen Schüler und Meister. Manchmal kommt es zu Meuterei oder Rebellion.

Urangst: Eltern/Autoritäten hilflos ausgeliefert sein.

Beispiele: Wolf Larsen (Der Seewolf), Paul Schäfer (Colonia Dignidad)

8. Archetyp: Finstere Diener ?

Finstere Diener sind die treuen Vasallen der Grausamen Meister. Sie handeln nicht aus eigenem Willen, sondern sind Instrumente ihres Herrn oder einer feindlichen Macht, Religion oder Ideologie.

Sie bieten die Chance für mehrstufiges Erzählen: Etwa wenn sie als Endgegner in Computerspielen immer stärker werden. Zu ihrer Tragik gehört, dass sie von ihren Meistern belogen und ausgebeutet werden. Darum schlagen sich manche auf die Seite des Helden.

Urangst: Herzlosen Helfershelfern, Bürokraten oder Handlangern ausgeliefert sein, die selbst unter Zwang stehen.

Beispiele: Saruman (Herr der Ringe), Türhüter (Vor dem Gesetz), Beißer (James Bond)

9. Archetyp: Gefährliche Verführer ?

Gefährliche Verführer bedrohen soziale Gefüge und damit die Sicherheit des Heims – mit emotionalen, sexuellen oder wirtschaftlichen Mitteln. Dazu nutzen sie die Schwächen ihrer Opfer gezielt aus und machen (leere) Versprechungen.

Dramatisch wird es, wenn sie ihre verführerische Gewalt über ihre Opfer verlieren und gezwungen sind, ihre Macht auf andere Weise aufrechtzuerhalten.

Urangst: Angst vor Verführung, Kontrollverlust, Schande

Beispiele: Gordon Gekko (Wallstreet), Don Giovanni (Don Giovanni), Mephisto (Faust)

10. Archetyp: Verstörte Riesen ?

Unaufhaltsame Monster, die häufig aus ihrem Ruhestand geweckt werden. Wie ein Orkan brechen sie über ihre Opfer herein, es bleibt nur die Flucht.

Die Aufgabe des Helden ist es, sie zu bändigen – durch List oder Gewalt.

Urangst: Monströse Wesen durch unbedachtes Handeln erzürnen.

Beispiele: Godzilla (Godzilla), T-Rex (Jurassic Park), Das Nichts (Die unendliche Geschichte)

11. Archetyp: Wilde Menschenfresser ?

Wilde Menschenfresser leben häufig abseits der Menschenwelt – aus gutem Grund. Sobald sich Menschen in ihr Reich wagen, beginnt das Grauen.

Es gibt zwei Unterkategorien: 1) Bestien, die aktiv nach Menschenfleisch jagen. 2) Bestien, die von ihren Opfern selbst aufgesucht werden.

Urangst: Gefressen werden.

Beispiele: Hexe (Hänsel und Gretel), Polyphem (Odyssee), Xenomorph (Alien)

Lexikon der Filmschurken 1912-2012

Das Buch von Albrecht Behmel hat noch sehr viel mehr zu bieten: Jede Menge Beispiele, Inspirationen und Schreibtipps. Klare Leseempfehlung!

Archetypen: Albrecht Behmel - Lexikon der Filmschurken
-> Schau mal rein!

Liste des Bösen: Die elf Archetypen von AntagonistenAuch spannend

Blake Snyder für Horror-Autoren

Dan Wells: Das Monster aus dem Schrank lassen

Stephen King: Die drei Farben der Angst

3 Gedanken zu „Liste des Bösen: Die elf Archetypen von Antagonisten“

Schreibe einen Kommentar